Gespenster, Mythen, Deichbrüche: Aspekte einer widersprüchlichen Modernisierung in Theodor Storms »Der Schimmelreiter« (Wien, 09.12.2014)
Vortrag von Prof. Dr. Christian Begemann (LMU München), im Rahmen des SE-B »Dunkle Natur« und des Forschungsprojekts »Zeit des Klimas« (Prof. Dr. Eva Horn)
An Theodor Storms Novelle Der Schimmelreiter (1888) wurden im BA-Seminar sowohl epochen- und gattungstheoretische Fragen als auch Naturkonzepte und der Konflikt von Aufklärung und mythischem Weltbild abgehandelt. Christian Begemann ging über zwei Hypothesen dem zentralen Motiv der Lücke, im Text an der Nahtstelle von altem und neuem Deich aufbrechend, nach. Die Hypothese der »Gebrochenen Moderne« wird an dem Bruch im Deich, dem Riss durch die Person Hauke Haien und den Lücken der Aufklärung besprochen. Die nächste These führt über »das Andere der Vernunft« zur Hypothese vom »Gespenst der Aufklärung als paradoxe Figur« − zum Aufklärer Hauke Haien als Gespenst.
Dass Realismus Phantastik gerade nicht ausschließt, plausibilisiert Christian Begemann anhand seiner Betrachtungen zur Naturdarstellung in Der Schimmelreiter. Animistisch-belebte Natur steht als Agent mit subjektiven Zügen neben der dem Projekt der Moderne unterworfenen Natur. Der Deich als Schutzwall zwischen Natur und Kultur bricht, somit scheitert die Naturbeherrschung und phantastisch-mythische Elemente der alten Welt kehren wieder.
Eva Horn · 31. Dezember 2014, 18:10 Uhr