Das DFG-Schwerpunktprogramm »Ästhetische Eigenzeiten« fragt in grundlegender Weise nach den unterschiedlichen Manifestationen von Zeit in einzelnen Objekten, Objektgruppen oder Subjekt-Objekt-Verbindungen. Dabei geht es davon aus, dass das Wissen von Zeit wesentlich durch deren Darstellung bedingt ist und durch die spezifischen ästhetischen Konstellationen hervorgebracht wird, in denen Zeit kenntlich wird. Mit dem Terminus ›ästhetisch‹ ist dabei zum einen die unhintergehbare Involvierung der sinnlichen Wahrnehmung in die Hervorbringung von Zeit angesprochen, zum anderen wird eine besondere Expertise der Künste bei der Produktion einschlägiger Artefakte behauptet.
Die geplante Workshop-Reihe »Ästhetische Eigenzeiten der Wissenschaften« stellt nun einen weiteren kulturell äußerst produktiven Bereich ins Zentrum, in dem Wahrnehmung und Darstellung von Zeit ebenfalls in fast allen Verfahren relevant und oft auch thematisch werden. Ziel der Workshop-Reihe ist die Erstellung eines Kompendiums, das in rund 20 Beiträgen paradigmatische wissensgeschichtliche Konstellationen aufgreift, in denen Zeitobjekte mit Zeitmodellen und Zeitpraktiken in Verbindung treten bzw. diese sich wechselseitig auseinander hervortreiben. Gezeigt werden soll, welche je eigenen Zeitlichkeiten Gegenstände des Wissens aufweisen, wie diese in der Behandlung und der Konzeptualisierung der Wissenschaften geformt werden und welche Effekte solche Bearbeitungen zeitigen.
Auch wenn die Differenzierung der wissenschaftlichen Felder und Disziplinen grundlegend für die Vielheit der zu beobachtenden Zeitformen und Zeitfiguren sein wird, sollen die Beiträge keine eigentlichen zeitbezogenen Disziplinengeschichten verfolgen. Vielmehr sollen sie markante zeitthematische Punkte der Geschichte(n) der Natur- wie auch der Geistes- und Sozialwissenschaften bestimmen, diese in ihren allgemeineren kulturellen Bezügen beschreiben und von ihnen aus in weitere historische Zusammenhänge ausgreifen, und es soll auch deutlich werden, inwiefern Zeitkonzepte und -figuren produktiv zwischen den verschiedenen Disziplinen wandern bzw. diese in Bezug setzen. Das zentrale Interesse des Bandes gilt den gestalterischen, gleichermaßen epistemologisch wie poetologisch wirkenden Kräften der Wissenschaften, wobei auch deren Irritationspotential für soziale und kulturelle Gegenstände und Prozesse in den Blick rücken soll. Eine kulturwissenschaftlich informierte und praxeologisch ausgerichtete wissenschaftsgeschichtliche Perspektive soll deshalb kombiniert werden mit wissenspoetologischen Zugängen, die auch die wissensformierende Dynamik der Künste und Literaturen berücksichtigen.
Erbeten werden deshalb bis zum 20. April 2017 Exposés in einem Umfang von maximal 5.000 Zeichen, die eine paradigmatische Zeitkonstellation der Wissenschaften aufgreifen und deren Beschreibung und Analyse skizzieren (zu richten an Claudia.Ziegler@fu-berlin.de und Michael.Gamper@fu-berlin.de).
Vorgesehen ist, die jeweils rund 20 Seiten umfassenden Aufsätze in einer Reihe von drei Workshops zu erarbeiten. Die intensive Diskussion der Projekte, grundlegender Texte und einer ersten Version der Aufsätze soll es ermöglichen, einen konzeptuell in sich geschlossenen Band mit qualitativ besonders hochwertigen Beiträgen zu erarbeiten. Der erste Workshop wird am 16./17.11.2017 an der FU Berlin stattfinden.
Michael Bies · 13. März 2017, 9:24 Uhr