Ästhetische Eigenzeiten – Zeit und Darstellung in der polychronen Moderne

Awareness. Techniken der Ver­gegen­wärtigung und subjektive Wieder­an­eignung von Zeit in zeit­ge­nös­sischem Tanz

Gabriele Brandstetter (FU Berlin)

Teilprojekte Phase: 1. 2.

Awareness. Techniken der Ver­gegen­wärtigung und subjektive Wieder­an­eignung von Zeit in zeit­ge­nös­sischem Tanz

Das Forschungsvorhaben will die epistemische Dimension awareness-basierter Körperpraktiken in ihrer Beziehung zu Ästhetiken, Organisationsformen und Aufführungsformaten des zeitgenössischen Tanzes untersuchen. Im Hinblick auf die Durchdringung von künstlerischen, therapeutischen, soziopolitischen und ökonomischen Praktiken seit den 1960er Jahren soll herausgearbeitet werden, welche Vorstellungen vom Körper und von den Beziehungen zwischen Körpern durch Übungsformen erzeugt werden, deren Epistemologie auf dem Evidenzeffekt von Vergegenwärtigung beruht.

Die Untersuchungen setzen an bei der Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen Beschreibungen des Körpers und dem Erleben des Körpers durch die Subjekte, die zu den »Verlegenheitsstellen« (Blumenberg) modernen Lebens gehört. Von awareness ausgehende Körperarbeit antwortet auf diese Verlegenheit mit einer Resubjektivierung von Körperzeit, die darauf abzielt, dem modernen Subjekt die Verfügung über die Zeit zurückzugeben und sich endliches, flüchtiges Leben qua Differenzierung von Aufmerksamkeit erneut anzueignen.

Awareness, verstanden als gelenkt-lenkende Vergegenwärtigung, dient als Instrument einer Wiederaneignung von Körperzeit. Im Bereich des zeitgenössischem Tanzes eröffnen unterschiedliche Formate von Übung, Training und Praxis die Strukturen für solche erfahrungsbasierte Explorationen. Denn subjektive Eigen-Zeit konstituiert sich hier nicht durch ein primäres Selbstverhältnis, das dem Subjekt zuzuschreiben wäre, sondern das subjektiv Eigene der Zeit entsteht überhaupt erst in der geteilten awareness und in einem Übungsraum. Gegenstand der Untersuchungen sind daher Entwicklungen von Tanz-Aufführungen aus körperpraktischen Workshops. Das Projekt will sich sowohl mit den ideologischen Aspekten als auch mit den ästhetischen, sozialen und politischen Potenzialen der Resubjektivierung von Zeit befassen. Es strebt an, so einen Beitrag zur Klärung des »Eigen-« von Eigenzeiten zu leisten.